Home

Buch-Shop  

Ausstellungen

Genetik

Archiv

Literatur

 Links

Impressum

 

 

Book-Shop

Shows

Genetics

Archive

Literature

 

  Datenschutz

 

Epistasie, supplementäre Mutanten, Enabler und unterstützende Gene bei Haustauben

(Epistatic or Masking Mutants, Supplementary and Supporting Mutants)

Neben Dominanz und Rezessivität sind auch andere Zusammenhänge zwischen unterschiedlichen Erbfaktoren von Bedeutung. Darauf hat in der Taubengenetik in jüngster Zeit Richard Cryberg verschiedentlich erneut aufmerksam gemacht und das wurde auch in der September e-mail Ausgabe der Pigeon Genetics Newsletter 2011 von Lester Paul Gibson thematisiert.

Dominante und rezessive Beziehungen zwischen Allelen

Dominante bzw. rezessive Beziehungen bestehen zwischen Erbanlagen, die am identischen Genort auf einem Chromosom liegen. Es handelt sich um alternative Ausprägungen am selben Genort, mit einem anderen Begriff umschrieben, es handelt sich um Allele.

So sind die Zeichnungsanlagen der auf die Felsentaube zurückgehenden Haustaube, die Binden, die hohlige Zeichnung und die verschiedenen Hämmerungsvarianten, Allele. Dabei dominiert die Hämmerung gegenüber dem Wild-Typ, der bindigen Zeichnung, während die hohlige Zeichnung sich rezessiv verhält.

 

Kölner Tümmler blau mit Binden und blau-gehämmert

Ein reinerbig gehämmertes Tier wird daher mit einem bindigen Partner ausschließlich gehämmerte Jungtiere bringen, die Hämmerung „dominiert“. Mitunter spricht man von intermediären Beziehungen dann, wenn bei Mischerbigkeit eine Zwischenstufe erreicht wird. Meist wird darauf verzichtet und ein Faktor schon dann als dominant bezeichnet, wenn das Erscheinungsbild bei spalterbigen Tieren erkennbar vom Wild-Typ abweicht.

Epistasie: Überdeckung von nicht allelen Erbfaktoren

Neben Rezessivität und Dominanz ist vielen Taubenzüchtern der Begriff der „Epistasie“ bekannt, der 1909 von William Bateson geprägt wurde. Epistatische Beziehungen bestehen dann, wenn ein Erbfaktor, der kein Allel zu einem betrachteten anderen Erbfaktor darstellt, diesen unterdrückt, überdeckt oder die Auswirkung verhindert, wie immer man das ausdrücken möchte. Ein Standardbeispiel ist der Farbausbreitungsfaktor mit dem Erbsymbol S (für Spread). Wenn dieser Faktor vorhanden ist, dann können sich die Zeichnungen nicht oder zumindest nicht deutlich auswirken. Sie werden überdeckt. Wenn man ein Tier aus einem rein gezogenen schwarzen Stamm mit einem Blaubindigen verpaart, dann wird man in der 2. Generation in der Regel nicht nur Schwarze und Blaubindige, sondern auch Blaugehämmerte ziehen, ein Beweis dafür, dass sich unter dem schwarzen Farbenkleid eine Hämmerung verborgen hatte.

 

Schwach gefärbtes schwarzes Jungtier mit „durchscheinenden“ schwarzen Binden (von der Abstammung bekannt spalterbig für S und reinerbig für Binden) und schwarzes Paar Pommersche Schaukappen mit intensiv schwarzer Färbung. Beide dennoch nur spalterbig für S.

Die Hämmerung wird in schwarzen Stämmen durch den Faktor S überdeckt, ist genetisch aber dennoch vorhanden. Manchmal kann man bei schwarzen Tauben mit der Erbanlage für Binden die Binden noch erkennen, besser noch im Jugend- als im Altgefieder. Die Binden zeichnen sich dann etwas dunkler gefärbt vom schwächer gefärbten Restgefieder ab. Das gilt aber in vielen Fällen nicht, denn auch im Untergrund bindige Tiere sind oft tief schwarz gefärbt. Das gilt auch dann, wenn die Tiere nur spalterbig für den dominanten (gegenüber Nicht-Spread) Spread-Faktor sind. Wie intensiv die Überdeckung ist, das hängt auch von anderen Erbfaktoren ab, die hier leicht abändernd wirken und den Charakter von „modifizierenden Erbfaktoren“ besitzen. Was „leicht abändernd“ konkret bedeutet, ist allerdings schwer zu objektivieren und soll hier auch nicht thematisiert werden. Ein weiteres klassisches Beispiel für Epistasie ist das „Rezessiv Rot“ (gegenüber Nicht-Rezessiv Rot), das bei Reinerbigkeit für diesen Faktor die Zeichnungen, darüber hinaus aber auch den Farbausbreitungsfaktor und die Grundfarbe überdeckt.

Epistasie im generellen Sinn

Heather J. Cordell verwendet 2002 in einem Artikel (Vol. 11 Human Molecular Genetics) den Begriff Epistasie in der Diskussion über genetische Dispositionen von Krankheiten auch in einem weiteren Sinn. Man nimmt in der Humangenetik an, dass sich einige Krankheiten nur dann auswirken, wenn an zwei unterschiedlichen Ge­norten jeweils potentiell krankheitsauslösende Gene vorhanden sind. Wenn am Genort A das betreffende Gen nicht vorhanden ist, dann kann sich am Genort B das dort lokalisierte krank­heitsauslösende Gen nicht auswirken. Der Wild-Typ am Genort A ist aus dieser Sicht epista­tisch gegenüber B. Aus einer anderen Sichtweise kann sich das krankheitsauslösende Gen A dann nicht auswirken, wenn am Genort B der Faktor B nicht gegeben ist. Der Wild-Typ am Genort B ist dann epistatisch gegenüber A. Wir haben eine zweiseitige Beziehung vorliegen und nicht die bekannte einseitige Beziehung.

Eine solche Betrachtungsweise bzw. ein solcher Perspektivwechsel könnte auch in der Taubengenetik bei vielen Fragestellungen einen Erkenntnisgewinn bringen, bei denen offenkundig einfache monogene Ansätze versagen. Solche zweiseitigen Beziehun­gen sind in der Taubengenetik allerdings nicht unbekannt, werden allerdings unter einer anderen Begrifflichkeit z.B. als polygene Effekte bei zwei rezessiven Faktoren behan­delt, etwa  als Erklärungsmuster für die Halskrause (Sell, 1986, 1994).

Mövchen mit vermutlich von zwei Erbfaktoren bestimmten Halskrause

Enabler

Eine zweiseitige Epistasie existiert bei Tauben vermutlich auch bei roten Weißschildern, bei denen nach den Untersuchungen von Andreas Leiß (2005) angenommen wird, dass ihr weißes Schild auf die Existenz eines Weißschildfaktor zurückzuführen ist, der aber erst durch einen zusätzlich wirkenden „Enabler“ ausgelöst wird. Ein zusätzliches Erfordernis ist es, dass sol­che Weißschilder im Erbgut reinerbig Rezessiv Rot sein müssen. Bei anderen Färbungen kommen die Faktoren nicht zur Geltung. Hier wirken also drei unterschiedliche Genorte zu­sammen, Rezessiv Rot, der Weißschildfaktor und der Enabler.

Dänischer Tümmler Rot Agate (rezessiv Rot mit Weißschildfaktor)

Supplementäre Gene

Das Erfordernis von Rezessiv Rot für die Wirkung des Weißschildfaktors führt zu einem weiteren Konzept, dessen Bedeutung für die Haustaubengenetik jüngst Richard Cryberg in Erinnerung gerufen hat, den „Supplementär-Genen“ (supple­mentary genes). Nach einer Definition in „Mosby’s Medical Dictionary“ bedeutet dieses, dass eines von zwei nicht-allelen Genen entsteht, das so mit dem zweiten zusammenwirkt, dass ein Paar die Existenz des anderen braucht, um sich auszubilden, während sich das andere unab­hängig vom anderen ausbilden kann. Rezessiv Rot kann sich alleine auswirken, der Weißschildfaktor aber nur auf der Basis von Rezessiv Rot.

In der Taubengenetik hat vermutlich Metzelaar 1928 bei der Untersuchung der Bronzefär­bung und Weißschuppung bei Haustauben zum ersten Mal mit Konzepten wie Enablern argumen­tiert und einen unsichtbaren Faktor eingeführt, der Spread überwindet, so dass sich die Zeich­nungen des Toy-Stencil-Komplexes trotz Spread zeigen können.

Unterstützende Gene

Eine weitere Konstellation ist die Hypothese von unterstützenden Genen. Gene, die sich bei Tests mit dem Wild­typ als rezessiv erweisen, können beim Vorhandensein bestimmter anderer Gene dominant wirken, sich überraschend auch bei Mischerbigkeit zeigen. So, wenn für den rezessiven Faktor Dilution (Verdünnung) spalterbige Almond- und Vielfarbigtäuber gelblicher gefärbt sind als Täuber ohne Dilution. Oder wenn die Kombination von verdünnt Gimpeltaubenbronze in Verbindung mit wahrscheinlich auch verdünnt Frosty/Faded in der ersten Generation sehr intensiv goldig gefärbte Jungtiere ergibt. Die intensiv bronze bzw. verdünnt golden gefärbte Brust ist nicht das Überraschende, denn das zeigte sich bei eigenen Kreuzungen von Schwarzflügel-Gimpeltauben generell. Überraschend waren die bei einigen Tieren auch durchgefärbten Köpfe, die in der ersten Generation bei Paarungen mit dem Wild-Typ  schwarz bzw. dunkel-dun zu bleiben pflegen und auf einen rezessiven Faktor zurückgeführt werden, der in der neuen Konstellation sich dennoch zeigt.

  

Für Dilution spalterbiger „Vielfarbener“ bei Pommerschen Schaukappen und F1 aus verdünnfarbene Goldgimpelkreuzungen mit Frosty/Faded

Der Nachweis für solche „Quereffekte“ nicht alleler Faktoren ist allerdings schwer zu führen, denn garantiert erbreine Linien für Testzwecke existieren in der Tauben­zucht nicht. Testpartner besitzen in der Regel sichtbar oder unsichtbar Abweichungen vom Wild-Typ oder können diese zumindest besitzen, so dass kontrollierte Versuche ohne zusätzlichen Aufwand nicht möglich sind, aber wünschenswert wären.

 

Epistatic or Masking Mutants, Supplementary and Supporting Mutants

The analysis of inheritance becomes complicated by the great number of mutations in the domestic pigeon and their different interactions. Recently Richard Cryberg and contributions in the e-mail pigeon genetics newsletter from Lester Paul Gibson reminded the fancy that besides dominance and recessiveness some other genetic concepts exist. Dominance and recessiveness describes the relationship between allelic traits. Epistasis is a term first used by Bateson 1909 and describes the effect that a variant at one locus prevents the variant at another locus from manifesting its effect. Well known examples in pigeon genetics are Spread that masks pattern and recessive red that in general masks colours, pattern and Spread. In human genetics it is believed that in several cases the exhibition of disease is the consequence of the joint action of two or more loci. Then it may happen that the effect at one locus would be masked by that at a second locus. On the other hand, if the relevant gene is present at the second locus and lacking at the first, the disease will not show either. Such a constellation may be called ‘epistatically in a general sense’ (Heather J. Cordell, Human Molecular Genetics 2002). Such a constellation is discussed in pigeon genetics under the heading of polygenic inheritance and the example of breast frill. Richard Cryberg in his reminder stresses the constellation that some traits are simply invisible on a wild type bird, even when homozygous. These “invisible” genes become visible by the presence of other mutants called “supplementary” mutants. An example in pigeon genetics is white sides on recessive red. The trait white sides only shows at recessive red birds and has no effect on wild type birds at that locus. Early reports from Andreas Leiß (2005) indicate that a third trait might be involved, an enabler to allow the white to be print through at recessive red pigeons.

In pigeon genetics probably Metzelaar (1928) was the first to use the conception of enablers. In the discussion of Mahogany, Toy Stencil, Spread and Pattern he postulated the necessity of an enabler to show whitish or bronze pattern on a black bird.

Supporting genes is still another not well analyzed phenomenon. In some constellations supporting genes seem to make otherwise recessive genes effective still in heterozygous state. They act together thought they are not allelic. Dilution that express in a more yellow tint in heterozygous Almond cocks might be such an observation. Another one gimpel-bronze that in combination with Faded/Frosty is expressed in some birds still in the F1 in golden heads besides the more or less intensive gold or bronze breast that may be observed in most F1.