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Almond, Stipper und Sprenkel bei Tauben. Zu Begriffsverwirrungen und ihren Ursachen

Prolog

Für viele Taubenliebhaber des 19. Jahrhunderts war der Almondtümmler, soweit es die Taubenzucht betrifft, die Krönung der Schöpfung. Das bezog sich nicht nur, aber auch auf die einzigartige Almondfarbe über den Körper und die Deckfedern des Flügels mit möglichst dreifarbigen Schwingen- und Schwanzfedern sowie gleichmäßigen dunklen Spritzern auf dem gesamten Federkleid. Stipper und Sprenkel haben mit Almonds Erbfaktoren gemeinsam. Almonds können genetisch auch als eine Variante betrachtet werden. So kann man aus Almonds durch ‚Ausmendeln‘ von Farbfaktoren Stipper und Sprenkel züchten und aus Stippern und Sprenkeln durch Hinzufügen von Farbfaktoren Almonds schaffen. In einigen Taubenzüchterforen wird inzwischen fast alles, was bunt aussieht, Almond genannt. Das gilt selbst für weiße Tauben mit schwarzen Spritzern, die mit dem in sich selbst widersprüchlichen Begriff ‚schwarzer Almonds‘ belegt werden. Ignoranz, die aber weiter zurückliegende Ursachen hat, auf die hier eingegangen wird.

Almonds in der klassischen Literatur und die Abgrenzung zu Vielfarbenen und Stippern

Dem Almondtümmler wurden die ersten Monographien über eine einzelne Taubenrasse gewidmet, 1802 in England durch Windus und 1851 durch Eaton. Wie wichtig den Züchtern neben sonstigen Merkmalen die gelb-braune Almondfarbe war, geht daraus hervor, dass die erste öffentliche Taubenausstellung in England 1848 durch die  Philoperisteron Society abgehalten wurde, um Meinungsunterschiede der ‚Gentlemen‘ über die korrekte Färbung des Almondtümmlers auszuräumen (Kate Whiston 2017).

 

Abb. 1: Almondtümmler und die Almondfarbe bei Eaton 1851. Nicht nur die Grundfarbe Almond ist wichtig, in Schwingen und Schwanz kommt die zusätzlich gewünschte Sprenkelung gut zum Ausdruck. Quellen: Eaton, A Treatise on the Art of Breeding and Managing the Almond Tumbler 1851, Sell, Genetik der Taubenfärbungen 2015

Stipper und Sprenkel sind ein Synonyme für die schwarzen oder dunkelgrauen Spritzer, die sich u.a. bei den Almondtümmlern auf almondfarbenem Grund im Körpergrundgefieder und auf den dreifarbigen Schwingen- und Schwanzfedern zeigen. Diese Spritzer gibt es bei anderen Rassen auch auf weißem oder silbrigem Grund. Die dadurch entstehenden Farbenschläge werden in Europa seit langem Sprenkel oder Stipper mit der Konkretisierung durch weitere Farbangaben genannt, etwa Graustipper bei Dänischen Tümmlern und Schwarzsprenkel bei Rollertauben. Bei einer nicht eindeutig zuzuordnenden Färbung sind es Vielfarbene.

Abb. 2: Vielfarbene Orientalische Roller bei Spruyt. Rechts in heutiger Terminologie ein Schwarzsprenkel. Quelle: Spruyt, De tuimelarrassen 1935.

Abb. 3: Dänischer Tümmler mit almond Grundfarbe und daraus durch Ausmendeln von Farbfaktoren erzüchtete Blau- und Schwarzsprenkel (in der Terminologie von Wriedt und Christie Weiß Blaugesprenkelt und Weiß Schwarzgesprenkelt). Quelle: Sell, Taubenzucht. Möglichkeiten und Grenzen züchterischer Gestaltung, Achim 2019.

Was nun, wenn weiße oder fast weiße Tauben mit schwarzen und manchmal etwas gelben Spritzern in den sozialen Medien als schwarze Almonds oder als Almonds bezeichnet werden? Es ist auch, aber nicht nur selbst verschuldete Ignoranz.

Die Analyse der Sprenkel (Stipper)

Bei der ersten genetischen Analyse der Almondfärbung ging es den Norwegern Wriedt und Christie (1925) eher beiläufig um die Färbung. Es ging ihnen primär um die Sprenkelung. Sie untersuchten Dänische Stipper, die von Englischen Almondtümmlern abstammen (Prütz 1885). Der den braunen, hellbraunen und weißen Stippervarianten gemeinsame Sprenkelfaktor wurde mit St symbolisiert. Die Almondfärbung, am ähnlichsten in ihrer Einschätzung bei den Hellbraun-Graugesprenkelten, interessierte sie nur am Rande.

Abb. 4: In der genetischen Analyse durch Wriedt und Christie (1925) genutzte Tauben. Demonstriert wird in dieser Abbildung der mit dem Alter einsetzende Verdunkelungsprozess.

Das Zusammenspiel mit Kites und Rezessiv Rot beschreiben sie eher beiläufig, als wäre es nichts Besonderes. Sie finden auch schon die Erbformel für DeRoy und verdünntfarbene DeRoy.

Warum in einigen Foren heute für Graustipper und Schwarzsprenkel, die keine Almondfarbe zeigen, immer noch die Bezeichnung Almond?

Taubengenetik spielte in Züchterkreisen damals nur in den USA eine Rolle. Und dort war als gesprenkelte Tauben nur der Almondtümmler bekannt. So findet man in dem das Generationen prägende Buch ‚The Pigeon‘ (1. Auflage 1941) von Levi, in meiner Auflage von 1969, einen Sprenkel mit hellsilbrigem Grund aus der Schweiz noch als ‚spangled‘ bezeichnet. In der Enzyclopedia of Pigeon Breeds von 1965 wird ein weißer schwarzgesprenkelter Orientalischer Roller aus der Schweiz als ‚Black Almond‘ bezeichnet. Es wurde  bei der Vermittlung des Erbganges für die Standard-Almondfärbung als didaktische ‚Krücke‘ aus dem Stipperfaktor der Almondfaktor. Es ist der Faktor, der beim Almondtümmler unverzichtbar für die Standardfärbung ist. Mit diesem Gleichnis wurden Generationen von an Genetik interessierten Züchtern, auch der Verfasser, weltweit sozialisiert. Für die USA anfangs kein Problem, weil andere St-Varianten nicht vorhanden waren. Für Europa auch kein Problem, weil die unterschiedlichen Stippervarianten mit Sprenkel, Zweifarbig, Vielfarbig etc. fest verankerte Farbenschlagbezeichnungen hatten. Die Absurdität und Ferne von der Logik wird erst jetzt bewusst, wenn in internationalen Taubenzüchtergruppen auch deutsche Liebhaber anfangen, von schwarzen und weißen Almonds zu schreiben.

Die Bezeichnungen bei Wriedt und Christie

Wriedt Christie hatten schon vor 100 Jahren Vorschläge für die Bezeichnung der Varianten, denen man aber nicht gefolgt ist. Nach der wesentlich die Erscheinung prägenden optischen Grundfarbe unterschieden sie Braune mit schwarzer Sprenkelung, Hellbraune mit grauer Sprenkelung und Weiße mit schwarzer Sprenkelung. Hier kann man leicht die fast Weißen, Silbrigen mit schwarzer Sprenkelung (unsere heutigen Silbersprenkel bei Orientalischen Rollern) unterbringen, die sie für eine Modifikation der Weißen hielten, und nicht für ein Allel. Bei der Bezeichnung ‚Braun‘ ist aus heutiger Vorsicht angebracht, denn genetisch haben sie die schwarze Grundfarbe mit Modifikationen durch Bronze. Auch Zwischenfärbungen kannten sie, die bei vielen Rassen in Deutschland und anderen Ländern als Vielfarbene, in den USA allerdings als Almonds, anerkannt sind.

Résumé

Im Ergebnis handelt es sich um ein Beispiel dafür, wie didaktische Krücken selber Laufen lernen und sich in andere Richtung bewegen als gedacht. Oder in Anleihe bei der klassischen Literatur: „die ich rief, die Geister / werd ich nun nicht los.

Literatur:

Eaton, J.M., A Treatise on the Art of Breeding and Managing the Almond Tumbler, London 1851.

Sell, Axel, Pigeon Genetics. Applied Genetics in the Domestic Pigeon, Achim 2012.

Sell, Axel, Genetik der Taubenfärbungen, Achim 2015.

Sell, Axel, Taubenzucht. Möglichkeiten und Grenzen züchterischer Gestaltung, Achim 2019.

Spruyt, C.A.M., De Tuimelaarrassen, Volledige Beschrijving van alle Rassen met uitvoerigen Staandaard, Gouda 1935.

Whiston, Kate, Pigeon geographies: aesthetics, organisation, and athleticism in British pigeon fancying, c. 1850-1939. PhD thesis, University of Nottingham 2017.

Wriedt, C. und W. Christie, Zur Genetik der gesprenkelten Haustaube. Zeitschrift für in­duktive Abstammungs- und Verer­bungslehre 38 (1925), pp. 271-306.