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Mosaikartige Färbungen bei Tauben

Zur Zeit der frühen Berichte über Mosaik von Cole und Hollander war es die Bezeichnung eines Phänotyps, über dessen mögliche unterschiedliche Ursachen spekuliert wurde. Die Begriffe Mosaik, Chimäre und Somatische Mutationen standen nebeneinander, Mosaik als Oberbegriff. ‚Somatic Mosaics‘ ist die Überschrift eines 1939 eingereichten und 1940 in der Zeitschrift ‚Genetics‘ publizierten Artikels von Cole und Hollander.

 

Abb. 1: Dänischer Tümmler 0,1 schwarz mit Almondeinlagerungen aus eigener Zucht und schwarz-rote Magdeburger Hochflugtäubin (Rudolf Beneke), Quelle: Sell, Taubenzucht

Mit ‚Bipaternity‘ im Titel eines Artikels im ‚Journal of Heredity‘ 1949 brachte Hollander seine Vermutung über die Ursache einiger mosaikartig gefärbter Tauben zum Ausdruck, bei denen aufgrund der potentiellen Abstammung andere Erklärungsansätze nicht oder nur beim Zusammenspiel mehrerer unwahrscheinlicher Ereignisse greifen konnten. Mit Fortschritten in der Molekulargenetik traten andere Erklärungen in den Vordergrund. Die von Hollander/Cole 1940 zusammengefassten ‚mosaik- oder chimärischen Effekte‘ wurden unterschieden nach den vermuteten Ursachen in Chimäre und Mosaik. Gemeinsam ist ihnen, dass sie genetisch unterschiedliche Zellpopulationen besitzen. Bei Chimären stammen sie aus der Fusion zweier oder mehrerer befruchteter Eizellen (Zygoten), bei Mosaik aus derselben befruchteten Eizelle, https://www.britannica.com/science/chimera-genetics https://www.embryology.ch/vet/de/kchromaber/klinik02.html.

Wie kommen genetisch unterschiedliche Zellpopulationen in eine befruchtete Eizelle? Möglich sind Mutationen und Deletionen. Somatische Mutationen setzen erst nach Bildung des Embryos ein. Ab dem Zeitpunkt wird die DNA-Sequenz von Körperzellen verändert. Diese Veränderungen können sich auf Teile beschränkt reproduzieren. Die Veränderung ist auf die Körperzellen begrenzt und wird nicht vererbt. Theoretisch sind die Unterscheidungen eindeutig, in der Praxis schwierig, wie Veröffentlichungen aus der Humanmedizin zeigen (z.B. Boklage 2006). Bei Tauben kommt hinzu, dass meist wenige Hinweise auf die potentielle Abstammung vorliegen.

 

Abb. 2: Jungtäuber mit mosaikartigen Einlagerungen andersfarbiger Farbbereiche

Bei dem in Abb. 2 gezeigten Täuber aus dem eigenen Schlag lässt die Abstammung sich eingrenzen. Der Vater ist ein reinerbiger bindiger Rubella. Die Mutter ist hemizygot eine verdünntfarbene gehämmerte Frosty-Rubella. Typisch für sie – bei genetisch schwarzer Grundfarbe – die gelbliche Färbung (Abb. 3).

 

Abb. 3: Eltern des Täubers in Abb. 2. Rubella Täuber mit Binden und hemizygote Frosty-Rubella-Täubin mit Verdünnungsfaktor

Der Jungtäuber zeigt äußerlich überwiegend die bei dieser Genausstattung erwartete Gefiederfärbung, wenn die Hämmerung auch stärker ausgebleicht ist als bei anderen reinerbigen rubella, mischerbigen frosty Täubern. Sie ist mehr der Weibchenfarbe der hemizygoten Frosty Rubella ähnlich (Abb. 5 links) und auch nicht sehr verschieden von reinerbigen Frosty, die als mischerbig für Rubella klassifiziert wurden. Wird die Rubellafärbung bei mischerbigen Täubern leicht abgeschwächt, so sind reinerbige Frosty-Rubella hell-silbergrau mit durchscheinenden Binden oder Hämmerung, wie beim genetisch bindigen Vater der verdünntfarbenen Frosty-Rubella (Abb. 4).

 

Abb. 4: Großeltern mütterlicherseits des mosaikartig gefärbten Täubers in Abb. 2. Reinerbiger Frosty-Rubella-Täuber, genetisch mit Binden, mischerbig verdünnt und ohne Spread-Faktor, Täubin blaugehämmerte Brieftaube, aus einem Flugstamm ausschließlich mit traditionellen Brieftaubenfarben

Mosaikartige Abweichungen beim Täuber in Abb. 2 sind einseitig die Schwingen erster Ordnung, Daumenfedern und Handdecken. Hier zeigt er die Färbung reinerbiger nicht-verdünntfarbener Rubella.

Zur potentiellen Genausstattung aufgrund des Stammbaums: Der Sohn sollte auf dem Geschlechtschromosom mütterlicherseits das Frosty-Gen, Rubella und den Verdünnungsfaktor geerbt haben. Väterlicherseits sind auf dem Chromosom an den genannten Genorten Nicht-Frosty, Rubella und Nicht-Verdünnung zu erwarten. Der überwiegende Teil des Gefieders entspricht den Erwartungen bei dieser Genausstattung. Die relativ starke Aufhellung bei diesem Täuber und der gelbliche Anflug, insbesondere im Halsbereich, dürften daran liegen, dass er mütterlicherseits mischerbig für Verdünnung (dilution) ist.

Bei der bekannten Abstammung kann man gedanklich den potentiellen Erbvorgängen nachgehen. In den mosaikartigen Abweichungen kommt das mütterlich erwartete Frosty-Gen nicht zur Wirkung. Das Gen scheint für diesen Körperbereich beim Sohn im Erbgang verloren. Es ist nicht väterlich bedingt und kann auch nicht durch eine andere Vaterschaft (Fremdbefruchtung) aus der Zuchtgruppe erklärt werden. Ein anderer reinerbiger Rubella-Täuber wäre für das Ergebnis unerheblich. Ein Täuber des Wild-Typs blaubindig und der reinerbige Frosty-Rubella Großvater scheiden auch aus, da sie im Zusammenspiel mit den Genen der Mutter die Erscheinung nicht hätten ergeben können. Bipaternity als Erklärung für das Erscheinungsbild fällt aus demselben Grund aus.

Bei Chimären verschmelzen zwei befruchtete Eizellen. Mütterlicherseits kann die Täubin auf dem Geschlechtschromosom nur den Typ Frosty, Rubella, Verdünnung bilden. Kombiniert mit den auf dem Geschlechtschromosom potentieller Väter befindlichen Genen kann daraus kein Zygot für den beobachteten Phänotyp entstehen. Mosaik entstehen aus einer befruchteten Eizelle, wobei Mutationen eine Möglichkeit der Entstehung genetisch unterschiedlicher Zellen sind. Mütterlicherseits könnte Frosty zurück zum Wild-Typ mutiert sein. Wenn dieses nach Bildung des Embryos erfolgt, sind nur bestimmte Körperzellen betroffen (somatische Mutationen oder Somatische Mosaik). Das kann in Kombination mit dem unveränderten väterlichen Chromosom ein Mosaik-Muster, wie gezeigt, ergeben.

  

Abb. 5: Zur Wirkung von Frosty auf Rubella-Basis bei hemizygoten Weibchen: Eine hemizygote gehämmerte Frosty-Rubella Täubin und eine hemizygote gehämmerte Rubella Täubin (Quelle: Sell, Critical Issues in Pigeon Breeding Part III). Daneben ein reinerbiger gehämmerter Rubella Täuber.

Andere Beispiele mosaikartig gefärbter Tauben deuten bei der Analyse möglicher Erbverläufe auf Chimäre als Ursache hin. Wieder andere sind mit beiden Theorien nur schwer zu vereinbaren oder setzen sehr viele zufällige Besonderheiten gleichzeitig voraus. Für die klassische Analyse durch Betrachtung der Phänotypen besteht nicht nur die Unsicherheit über die Abstammung, sondern auch, dass über viele Interaktionen von Farbfaktoren nichts oder wenig bekannt ist. Das gilt auch für die Interaktion nicht alleler als rezessiv eingeschätzter Faktoren. Sie sind rezessiv bei Paarungen mit dem Wild-Typ, sie bewirken in bestimmten Genkonstellationen aber deutliche Farbveränderungen schon bei Mischerbigkeit. 

http://www.taubensell.de/extremer_geschlechtsdimorphismus.htm

http://www.taubensell.de/extreme_sexual_dimorphism_in_the.htm

Bei Tauben scheint es bisher keine aussagekräftigen empirischen Studien zu den chromosomalen Unterschieden zwischen Chimären und Mosaik und Untersuchungen der Körperzellen zu geben. Geringe Farbeinsprengungen werden als Somatische Mosaik durch somatische Mutationen nach Bildung der Embryos eingeschätzt.

 

Abb. 6: Andersfarbige Einlagerungen bei einem Täuber mit dem Stippergen und bei einem im Jugendgefieder einfarbig roten Usbekischen Flugtümmlers ‚Tschinny‘ aus dem eigenen Schlag. Eine häufige Erscheinung bei diesen Färbungen auch im eigenen Bestand (Quelle: Sell, Pigeon Genetics)

Die Zusammenhänge zwischen dem Ausmaß und der Verteilung der Mosaikflächen mit potentiellen Ursachen und dem Zeitpunkt von Mutationen sind bei Tauben bisher wohl auch noch nicht untersucht worden. Die allgemeinen Schwierigkeiten der Unterscheidung in konkreten Fällen sind aus der Humangenetik bekannt. So stellt Boklage (2006) fest, dass Mosaikbildung nicht von der theoretischen Definition her ein Problem sei, sondern im klinischen Alltag und in der Diagnostik.

Literatur:

Boklage, Charles E. (2006) Embryogenesis of chimera, twins and anterior midline asymmetries, Human Reproduction Vol. 21, No. 3, pp. 579-591.

Hollander, W.F. (1949), Bipaternity in Pigeons, Journal of Heredity, Vol. XI., No. 10, pp.271-277.

Hollander, W.F., und Leon J. Cole (1940), Somatic Mosaics in the Domestic Pigeon, Genetics Vol. 25, pp. 16-40.

http://www.taubensell.de/extreme_sexual_dimorphism_in_the.htm

http://www.taubensell.de/extremer_geschlechtsdimorphismus.htm

https://www.britannica.com/science/chimera-genetics

Sell, Axel, Pigeon Genetics. Applied Genetics in the Domestic Pigeon, Achim 2012.

Sell, Axel, Taubenzucht. Möglichkeiten und Grenzen züchterischer Gestaltung, Achim 2019.

Universitäten Fribourgh, Lausanne, Bern (Entwickler), Online Embryologiekurs für Studierende der Medizin, Veterinäre Embryologie, Mosaike, Chimären (Einsichtnahme 11. August 2011) https://www.embryology.ch/vet/de/kchromaber/klinik02.html