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Wesentliche Merkmale von Haustaubenrassen

„Bei der Charakterisierung der Rassen möge einmal ganz von der Farbgebung abgesehen werden, denn Farbe allein ist kein Art- oder Rassemerkmal. Dagegen sind alle wesentlichen Änderungen der konstitutionellen Merkmale im Vergleich zur Felstaube wichtig, so Skelettbau, Körperhaltung, Flugvermögen, Warzenbildungen, atypische Federstellungen und –strukturen, Stimme und psychisches Verhalten. Auch die Größen- und Gewichtsunterschiede sind wesentlich“ (Harms 1939, S. 11). Dem Eingangszitat von Harms ist nichts hinzuzufügen. So galt sein Interesse auch der experimentellen Untersuchung des Erbganges bei der Kreuzung extrem unterschiedlicher Rassen (vgl. hierzu auch Sell 2012).

Abb. 1: Charakteristik von Rassegruppen bei Schachtzabel 1910

Auch in den Vorläufern der heutigen Musterbeschreibungen wie dem „Illustrierten Prachtwerk sämtlicher Tauben-Rassen“ von E. Schachtzabel (1910, 3. Aufl. 1919) hat die Nennung der Farben bei den einzelnen Rassen eine mehr nachrichtliche Funktion über das, was am häufigsten ist oder verbreitet war. Wenn die wesentlichen Rassemerkmale vorhanden sind, gehört das Tier zur Rasse. Welche Farbe und wie gut diese ist, ist eine nachgelagerte Frage und bei den einzelnen Rassen von unterschiedlichem Gewicht. Wer heute eine neue Färbung in einer Rasse auf Ausstellungen vorstellen will, braucht dazu allerdings eine Lizenz, die er in einem kostspieligen Anerkennungsverfahren erwerben kann. Das kann sich durch Vorstellungsgebühren, Transport- und Fahrkosten sowie Kosten der Aufzucht in einigen Fällen auf einen  vierstelligen Eurobetrag summieren. Nach der Anerkennung scheint das Interesse der Zuchtausschüsse an der korrekten Farbenschlagzuordnung allerdings wieder erlahmt. Das zeigen die unbeanstandeten Vorstellungen in falschen Klassen bei seltenen Farben auch auf den nationalen Schauen. Ein Grund für die Zurückhaltung könnte sein, dass der Vorwurf einer unkollegialen Kritik aufkommt, Korrekturen wären als Orientierungshilfe für Preisrichter, Besucher der Großschauen und Züchter aber hilfreich.

Die von Harms genannten wesentlichen Merkmale der Rassebildung wie Größen- und Gewichtsunterschiede spielen in Musterbeschreibungen eine überraschend geringere Rolle, zumindest wird es dort kaum einmal konkret. Indirekt gibt es eine Kontrolle durch die Ringgröße. Diese wurde bei einigen Rassen in der Vergangenheit mehrfach heraufgesetzt. Sonstige Größenangaben in Standards sind selten. Auch im Schachtzabel von 1910 findet man Größenangaben nur bei einigen Rassen. So bei extrem großen und extrem kleinen Rassen: Beim Römer ist die Höhe 24-28 cm von der Sohle bis zum Scheitel, die Länge von der Schnabelspitze bis zum Schwanzende 48-55 cm und die Flügelspannbreite bei blau, fahl und weiß nicht unter 97 cm, bei rot, gelb und schwarz  nicht unter 93 cm. Das Ägyptische Mövchen (1-3) als kleinste und zierlichste der bekannten Mövchenrassen hat eine Länge von 27-29 cm, das Englische (4 und 5) von 32-34 cm. Sonst wird auch durch Schachtzabel meist auf die Feldtaubengröße als Vergleichsmaßstab verwiesen.

 

Abb. 2: Römer und Ägyptische Mövchen (1-3) und Englische Mövchen (4 und 5) bei Schachtzabel 1910

Das weitgehende Fehlen von Größenangaben ist ein Unterschied zu den Standards anderer Zuchtverbänden von Haustieren. Bei Hauskaninchen und Hunden z.B. finden sich ganz selbstverständlich Gewichtangaben oder Widerristhöhen als Rassekriterien, für Hunde z.B.  

 https://www.vdh.de/welpen/rasse?q=B

 

Abb. 3: Gewicht- und Größenangaben bei Kaninchen

In der Vergangenheit hätten genauere Angaben z.B. über die Schnabellänge bei Mittelschnäblern der Tümmler manchen Frust vermeiden können. Auch über die Größe wird in einigen Rassen kontrovers diskutiert. Zuchtausschüsse können bei widersprüchlichen Meinungen über Standardauslegungen nichts zur Diskussion beitragen und tragen auch nichts bei. Die Standards sind nicht konkret und ein Monitoring, eine Aufzeichnungen der Entwicklung von Merkmalen über die Jahre, findet nicht statt. Selbst über den Ist-Zustand ist nichts bekannt.

Eine Besserung ist nicht in Sicht. Eher im Gegenteil. Einige Formentauben wie Carneau, Mittelhäuser und Beneschauer Tauben gibt es seit einigen Jahren auch in überlappenden Farbenschlägen. Sie sind für Außenstehende so ähnlich, dass es zu begrüßen war, dass für die Beneschauer mit 750 Gramm für Alttiere zumindest einmal eine Orientierungsgröße im Standard genannt wurde.

Abb. 4: Mittelhäuser, Beneschauer Taube und Münsterländer Feldtaube auf der Nationalen in Leipzig 2014

Wie man der jüngsten Verlautbarung des Bundeszuchtausschusses entnehmen kann, ist diese Angabe jetzt gestrichen worden. Aus tierzüchterischer Sicht im Vergleich zu anderen Haustierzuchtverbänden ein bedauerlicher Rückschritt.

Abb. 5: Bekanntmachung zur Standardänderung bei Beneschauer Tauben August 2018

Literatur:

Harms, J. W., Untersuchungen über Haustaubenrassen, Jenaische Zeitschrift für Naturwissenschaft, Zweiundsiebzigster Band. Neue Folge, fünfundsechzigster Band, Jena 1939, S. 3—75 und Tafeln 1-7.

Schachtzabel, E., Illustriertes Prachtwerk sämtlicher Taubenrassen, Würzburg 1910, 3. Aufl. 1919.

Sell, Axel, Pigeon Genetics. Applied Genetics in the Domestic Pigeon, Achim 2012.