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Die Entschlüsselung der genetischen Grundlagen der Taubenfärbungen

 ‘Learning by doing’ funktioniert manchmal. Bei komplexen Fragen zur Farbvererbung bei Tauben eher selten. Es endet meist in der Überzeugung, dass die allgemeinen Vererbungsgesetze bei Tauben nicht gelten. Wissenschaftler haben nach 1900 auch mehrere Jahrzehnte gebraucht, um eine befriedigende Klassifikation der Farbenschläge zu erhalten. Vor 1900 wurden die Farbabstufungen von Schwarz bis Weiß mit ihren Übergängen sehr ausführlich beschrieben, z.B. im Prütz von 1885. Schwarz war abgegrenzt von Blau. Blau wurde aufgespalten in Nuancen wie helleres und dunkleres Blau, Silber und weitere Aufhellungen. Unter ihnen, heute überraschend, auch Rot- und Gelbfahle. Rote, Gelbe und Braune Färbungen, darunter auch Bronzevarianten, bildeten eine weitere Gruppe.

Die Entschlüsselung der genetischen Zusammensetzung der Grundfarbenschläge

Leon J. Cole (1877-1948) war der erste Professor für Genetik an der Universität Wisconsin. Er zeigte 1914, dass es zwei Arten von Rot gab, ein dominantes Rot und ein rezessives. Das klingt trivial, war aber bahnbrechend. Vorher hatte man beide Typen nicht auseinander halten können. So gab es nicht erklärbare Widersprüche bei Erbversuchen. Erkannt wurde im Umfeld von Cole, dass Blau und Schwarz die gleiche Grundfarbe haben. Erkannt wurde auch, dass Dominant Rot (oder synonym Aschrot) etwas anderes war. Jan Metzelaar, ein Holländer, der an der Universität Michigan arbeitete, berichtete 1924 über Braun als eigenständige Grundfarbe. Erst um 1930 wurde der epistatische Charakter von Rezessiv Rot gegenüber den drei Grundfarben bestätigt. In Tab. 11 des Buches ‚Genetik der Taubenfärbungen‘ findet es sich daher unter allen Grundfarben. Beteiligt am internationalen Wissensaustausch waren nicht nur die beispielhaft in Tab. 11 genannten Wissenschaftler. Parallel wurden Bronze, die Verdünnung, Federstrukturen und anderes untersucht.

Abb. 1: Zeittafel zur Entschlüsselung der Genetik der Grundfarbenschläge (Quelle: A. Sell, Genetik der Taubenfärbungen, Achim 2015)

Fingerübungen

Die Entwicklung der Klassifikation der Grundfarbenschläge hat etwa drei Jahrzehnte gedauert. Auf dem Erkenntnisstand aufbauend bedarf es mit geeignetem Lehrmaterial einen Tag, um die Klassifikation nach genetischen Gesichtspunkten zu verstehen.  Es braucht einem Bleistift und etwas Papier, um mit Hilfe des Punnettschen Quadrats als didaktisches Hilfsmittels die Ergebnisse von Farbkreuzungen zu verstehen und für die Zuchtplanung zu nutzen. Zweckmäßig ist es allerdings, auf der ersten Seite der Lehrmaterialien zu beginnen, und nicht in der Mitte.  

Dann läßt sich auch leicht erklären, warum aus einem gelben Täuber und einem schwarzen Weibchen neben schwarzen Jungtäubern auf einmal dunfarbene Jungweibchen im Nest liegen und das ‚Uniformitätsgesetz‘ von Mendel außer Kraft gesetzt wurde. Das ist in einer Fotomontage an Altstämmern (die Schwarzen von ‚Gieseke World‘ von der 3. Deutschen Tümmlerschau) nachgestellt. Das kann aber jederzeit mit anderen Rassen im eigenen Schlag nachvollzogen werden.

Es wurde aus genetischer Sicht nicht, wie Anfänger vermuten, nur eine gelbe Taube mit einer schwarzen verpaart. Die Grundfarbe der meisten Rezessiv Roten und ihres Verdünntfarbenschlages, der Rezessiv Gelben, ist schwarz. Die meisten besitzen, wie die Schwarzen, auch den Farbausbreitungsfaktor. Aus genetischer Sicht wurde von der Grundfarbe her betrachtet Schwarz mit Schwarz verpaart, was in der Nachzucht eine schwarze Grundfarbe ergibt.

Aus genetischer Sicht wurde auf einer zweiten Betrachtungsebene Rezessiv Rot mit Nicht-Rezessiv Rot verpaart. Aus den Untersuchungen von Cole u.a. wissen wir, das Rezessiv Rote und damit auch Gelbe rezessiv epistatisch zur Grundfarbe sind. Reinerbigkeit vorhanden, hat sie beim gelben Täuber die schwarze Grundfarbe überdeckt. Gepaart mit einer Schwarzen, von der wir annehmen, dass sie nicht zufällig mischerbig für rezessives Rot ist, werden daraus nur für rezessives Rot spalterbige Jungtiere fallen. Sie werden die rote Farbe damit  nicht zeigen.

Gelb ist die Verdünnung von Rot. Der Verdünnungsfaktor wird geschlechtsgebunden rezessiv vererbt, was schon 1913 vom Engländer Staples-Browne festgestellt wurde. Damit kommt die geschlechtsgebundene Vererbung ins Spiel, die bei Mendel nicht aufgetreten ist. Aus einem verdünntfarbenen Täuber werden alle Jungweibchen den Verdünnungsfaktor erben und bei schwarzer Grundfarbe dunfarbig erscheinen. Ihre Brüder sind nur mischerbig für den Verdünnungsfaktor, und da dieser rezessiv ist, werden sie ihn nicht zeigen. Bei schwarzer Grundfarbe sind sie auch optisch schwarz.

Die Auflösung mit Hilfe der Punnettschen Quadrate

Bei der ersten Betrachtungsebene, der Grundfarbe, haben sowohl der gelbe Täuber als auch die schwarze Täubin eine schwarze Grundfarbe.  Die beiden Erbinformationen des Täubers werden vor der 1. Spalte des Quadrates eingetragen, die Erbinformation der Täubin in der Kopfzeile. Die vier Zellen des inneren Quadrats enthalten alle theoretisch möglichen Kombinationen. Die Grundfarbe ist wie die Verdünnung geschlechtsgebunden. Es wird daher das Punnettsche Quadrat mit einer ‚Leerinformation‘ für die ‚hemizygoten‘ Weibchen gewählt. Sie besitzen geschlechtsgebundene Gene nur einfach. Statt der Symbole wird hier die Schreibschrift verwendet. Die Jungtiere sind von der Grundfarbe her alle schwarz. Trivial, für Anfänger ist die Vorstellung, eine einfarbig rote oder gelbe Täubin könne genetisch eine schwarze Grundfarbe haben, aber schon eine zu hohe Hürde.

 

Abb. 3: Punnettsches Quadrat für die geschlechtsgebundene Grundfarbe

Die zweite Betrachtungsebene ist das rezessive Rot, das in dem Punnettschen Quadrat für nicht geschlechtsgebundene Erbfaktoren zu betrachten ist.

Abb. 4: Punnettsches Quadrat für das Rezessive Rot

Alle Jungtiere sind nur mischerbig Rezessiv Rot, so dass sich der Faktor nicht auswirken kann.

Bei der dritten Betrachtungsebene kehren wir zum Schema der Geschlechtsgebundenheit zurück. Verpaart wird aus dieser Sicht ein verdünntfarbener Täuber mit einer nicht verdünntfarbenen Täubin. Das Weibchen kann nur eine Erbinformation haben, was bei dem schwarzen Weibchen der Wild-Typ, Nicht-Verdünnt ist. Der Täuber hat den rezessiven Verdünnungsfaktor zweifach:

Abb. 5: Punnettsches Quadrat für die Farbverdünnung

Bei den Weibchen der Nachzucht taucht nur die Erbinformation der Verdünnung auf, sie sind damit auch in der Erscheinung verdünntfarben. Die Täuber sind dagegen nur mischerbig für die Verdünnung, werden sie bei einem rezessiven Faktor aber nicht zeigen.

Kombination der Betrachtungsebenen

Die Jungweibchen haben eine schwarze Grundfarbe, sie haben das rezessive Rot nur in Mischerbigkeit und sind verdünnt. Damit sind sie vom Phänotyp her Dunfarbene.

Die Jungtäuber haben auch eine schwarze Grundfarbe, auch das rezessive Rot in Mischerbigkeit. Anders als die Weibchen sind sie aber nur mischerbig für die Verdünnung. Damit sind sie vom Phänotyp her Schwarze.

Wer sein Verständnis prüfen will, der kann versuchen herauszubekommen, welches Ergebnis zu erwarten gewesen wäre, wenn die schwarze Alttäubin mischerbig für rezessives Rot gewesen wäre.

Wer darüber hinaus seine Fingerfertigkeit am Punnettschen Quadrat schulen möchte, der kann anhand des Quadrates versuchen herauszubekommen, was es für Vererbung der Haube und für die Genausstattung der Täubin im Hinblick auf die Haube bedeutet, wenn in der Nachzucht wie in dem Schaubild Jungtiere mit Haube gefallen sind.

Literatur:

Axel und Jana Sell, Vererbung bei Tauben, Reutlingen 2004

Axel Sell, Pigeon Genetics, Achim 2012

Axel Sell, Genetik der Taubenfärbungen, Achim 2015

www.taubensell.de